Brandkatastrophe Fa. Linde 1971

Brandkatastrophe bei der Firma Linde
Haushaltsmöbel AG in Kostheim
23. Januar 1971

Die größte Bewährungsprobe ihrer Geschichte bestand die Feuerwehr Kostheim während der größten Brandkatastrophe der Nachkriegsgeschichte bei der Fa. Linde 1971.

Am Samstag, den 23. Januar 1971, nachts um 22.10 Uhr alarmierte der Pförtner Schöneck die Polizei und Feuerwehr, dass im Werk ein Brand ausgebrochen sei. “Nero 16” vom 6. Polizeirevier in Mainz-Kastel war in kurzer Zeit an der Brandstelle und gibt ebenfalls Alarm an die zuständigen Stellen. Die ebenfalls in kurzen Abständen eintreffenden Löschgruppen der Berufsfeuerwehr Wiesbaden und der freiwilligen Feuerwehr Mainz-Kostheim versuchten unter schweren Bedingungen und dem Einsatz von Sauerstoffmasken den Brandherd zu ermitteln. Das Feuer war in der Förderbandhalle und breitete sich schnell aus. Schlechter Zugang, starke Rauchentwicklung, immer wieder auftretende kleinere Explosionen und brennender Kunststoffbelag erschwerten die Erkundungsbemühungen der Feuerwehr.

Das Feuer breitete sich weiter aus und der Einsatzleiter gab sofort Großalarm. Um Mitternacht werden die Berufsfeuerwehr Mainz und alle freiwilligen Feuerwehren aus dem Rhein-Main-Gebiet alarmiert.

Die Evakuierung benachbarter Wohngebiete wird vorbereitet. Acetylenflaschen und Nitrolackbehälter explodieren, Kunststoffmaterialien geben dem Feuer reiche Nahrung und fördern damit die Ausbreitung des Feuers. Die Flugplatzfeuerwehr der US-Airbase in Wiesbaden-Erbenheim, die Werkfeuerwehren der Firma Adam Opel AG Rüsselsheim, MAN und Kupferwerke aus Gustavsburg und Caltex Raunheim, die freiwilligen Feuerwehren aus Ginsheim, Raunheim und andere Wehren sind mit Speziallöschgeräten und Löschfahrzeugen an der Brandstelle zur Hilfeleistung eingetroffen. Das DRK, der ASB, Malteser-Hilfsdienst, die DLRG und das Technische Hilfswerk sind ebenfalls mit 2 Medimobilen (Notarztwagen), Transportfahrzeugen, Sanitätsanhänger und etwa 24 Krankenwagen an der Brandstelle. Sechs Notärzte und über 100 Sanitätskräfte stehen bereit, da die Gefahr besteht, dass unter Umständen mit größeren Explosionen gerechnet werden muss.

Da das Löschwasser aus dem Rohrnetz nicht ausreicht, wird das Wasser aus dem benachbarten Floßhafen mit z.Zt. geringen Wasserstand, über die Kostheimer Landstraße zu den 1,5 km entfernten Löschpumpen gefördert.

Als im Morgengrauen des Sonntags, gegen 5.00 Uhr das Feuer fast unter Kontrolle ist, beginnt gegen 5.55 Uhr die Tragödie.

Das in Vollbrand stehende Produktionsgebäude

Plötzlich bersten Träger des 2-stöckigen Mittelbaues, die Wände knicken zusammen und die Decken stürzen ein. Ein gemauerter Brennofen stürzt danach durch zwei Decken. Der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr, Technischer Amtmann Kurt Windrich und eine Anzahl von Feuerwehrmänner sind in den Trümmern des Gebäudes. Fieberhaft begannen die Rettungs- und Bergungsarbeiten. Zehn Feuerwehrmänner konnten sofort befreit werden. Sie hatten Rauchvergiftungen, Verbrennungen 1. bis 3. Grades, Platzwunden und Knochenbrüche. mindestens 3 Männer, darunter der Einsatzleiter sind noch unter den Trümmern. Sofort wird eingehend geprüft, ob sonst keine Feuerwehrmänner vermisst werden. Der Oberfeuerwehrmann Albert Scheurich der Berufsfeuerwehr Wiesbaden wird unter einem Träger eingeklemmt gefunden. Als ein Notarzt eine Amputation eines Beines trotz akuter Einsturzgefahr vornehmen will, stirbt Kamerad Scheurich und muß tot zurückgelassen werden. Auch der freiwillige Feuerwehrmann Kalr-Heinz Bremser liegt an einem noch unbekannten Platz unter den Trümmern. Bergungstrupps der Feuerwehren, Bundeswehrpioniere aus Wiesbaden-Schierstein, US-Pioniere der Pionierdivision in Darmstadt, Technisches Hilfswerk und Landespolizei sind mit Geräten sowie Räum- und Spezialfahrzeugen im Einsatz. Die Schäferhunde Prix und Axel der Suchhundestaffel kreisen die Fundstelle ein.

Der junge freiwillige Feuerwehrmann Bremser der freiwilligen Feuerwehr Wiesbaden-Schierstein wird tot geborgen. Nach dem noch vermissten Technischen Brandamtmann Kurt Windrich suchen die Bergungstrupps unter schwierigsten Bedingungen, da immer wieder einstürzende Bauteile die Männe in Gefahr bringen. Endlich, gegen 12.00 Uhr Sonntags (24. Januar 1971) ist das Feuer unter Kontrolle. An vielen Stellen bestand Einsturzgefahr und gefährdeten die Nachlöscharbeiten. Über 1000 Mann waren im Einsatz. DRK, ASB und alle Hilfsorganisationen hatten Verletzte versorgt und die Wehrmänner verpflegt.

Außer Löschwasserkanonen, Spezialfahrzeugen und Gerät waren über 25 Löschfahrzeuge im Einsatz.

Eingesetzte Kräfte:

  • Berufsfeuerwehren:
    • Wiesbaden
    • Mainz
    • Frankfurt / Main:     Opel Rüsselsheim
  • Werkfeuerwehren
    • MAN Gustavsburg
    • Kupferwerke Gustavsburg
    • Caltex Raunheim
    • und weitere
  • US-Feuerwehr:
    • Flugplatzfeuerwehr Air-Base Wiesbaden-Erbenheim
  • Freiwillige Feuerwehren:
    • Mainz-Hechtsheim
    • Raunheim
    • Gustavsburg
    • Flörsheim
  • alle 13 freiwilligen Feuerwehren des Stadtkreises Wiesbaden
    • Biebrich
    • Bierstadt
    • Erbenheim
    • Dotzheim
    • Heßloch
    • Frauenstein
    • Igstadt
    • Kloppenheim
    • Rambach
    • Schierstein
    • Sonnenberg
    • Kastel
    • Kostheim

Bei den noch mehrere Tage dauernden Sucharbeiten nach dem vermissten Brandamtmann Kurt Windrich leisteten die Werkfeuerwehren der Firmen Dyckerhoff AG und Kalle AG Wiesbaden-Biebrich außerordentlich wirksame Hilfe.
Kamerad Kurt Windrich wurde unter den Trümmern des großen gemauerten Brennofens und Deckentrümmern endlich gefunden. Bei den Bergungsarbeiten hatte eine Privatfirma große Dienste geleistet. Die bEtriebsleitung der Fa. Linde AG, unter Führung von Herrn Dr. Polonius hatte sich alle Mühe gegeben, die Lösch- und Hilfskräfte bei ihrer Arbeit mit Hilfsmitteln, Beratung und Unterstützung der Brandstellenleitung bei auftretenden Fragen und Problemen zu helfen. Belegschaftsmitglieder gaben immer wieder zweckmäßige und nützliche Tips und Anregungen an betriebsfremde Helfer.

Außer einer Anzahl leicht- und schwerverletzter Feuerwehrmänner wurden nachstehende Feuerwehrmänner tot geborgen:

  • Techn. Brandamtmann Kurt Windrich (53 Jahre)
    Berufsfeuerwehr Wiesbaden
  • Oberfeuerwehrmann Albert Scheurich (27 Jahre)
    Berufsfeuerwehr Wiesbaden
  • Feuerwehrmann Karl-Heinz Bremser (17 Jahre)
    Freiwillige Feuerwehr Schierstein
    Es war sein erster Einsatz bei der Feuerwehr

Wir werden diesen Feuerwehrkameraden stets für das höchste Opfer, das ein Feuerwehrmann geben kann danken und ihrer Gedenken.